Systeme

 

...und wieso in der Familie alle an einer unsichtbaren Schnur hängen

 

Was ist ein System?

Wikipedia weiß: „Als System (altgriechisch sýstēma „das Gebilde, Zusammengestellte, Verbundene“) wird allgemein eine Gesamtheit von Elementen bezeichnet, die so aufeinander bezogen oder miteinander verbunden sind und in einer Weise interagieren, dass sie als eine aufgaben-, sinn- oder zweckgebundene Einheit angesehen werden können, als strukturierte systematische Ganzheit ...“.

 

Wenn ich es zwei-, dreimal lese, weiß ich, ein System lauert überall: Sonnensystem, Tonsystem, Wertesystem, wieso also nicht auch in der Familie? Systeme sind allgegenwärtig und spannend, deshalb riskieren wir einen näheren Blick.

 

Wer jemals für seine Kinder ein Mobile gebastelt hat, weiß, wie schwer es ist, das Gleichgewicht herzustellen. Das ist in den Systemen nicht anders. Nur tariert sich das automatisch aus.

 

Ich-Mobile:

Hier habe ich mein eigenes Persönlichkeits-Mobile kreiert. Vereinfacht dargestellt.

 

Beispiel: Du siehst, dass im festgehaltenen Moment die Partnerschaft schwerer wiegt als die Familie. Das kann sich kurzfristig ändern, indem der Partner das System verlässt. Abhängig davon, auf welche Weise er geht und wie du damit umgehst, kann das Familien-Teil leichter oder schwerer werden. Irgendwann gibst du durch eine neue Beziehung neues Gewicht oder du ersetzt den Part mit etwas anderem. Mit jeder Veränderung gewichtet sich „natürlich“ die gesamte Beziehungsstruktur (Freunde-Beziehung) anders, es entsteht eine neue Schwingung und es pendelt sich wieder automatisch ein.

 

Das kannst du mit allen Teilen ausprobieren: Wenn dann zusätzlich noch Pflichten zunehmen, bleibt weniger Platz für die Visionen und so weiter.

 

Fakt ist, dass sich nicht nur der veränderte Teil bewegt, sondern das ganze Mobile. Probier es aus! Verstehst du was passiert, kannst du bewusst gegensteuern bzw. ausgleichen.

 

Selbstversuch:

Zeichne spontan dein eigenes Persönlichkeits-Mobile auf ein Blatt Papier. Denke nicht lang darüber nach, gewichte schnell und aus dem Bauch. Du wirst sehen, welch interessantes Ergebnis du erzielst. Das kannst du in beliebigen Zeitabstän-den wiederholen und die Unterschiede (sprich Lebenssituationen) vergleichen.

 

Familien-Mobile:
Kopfkino: Stell dir ein großes Ast-Blätter-Mobile vor:

Ein Ehepaar ist das kleinste System, also nehmen wir an, sie sind zwei Blätter am ersten Ast direkt an der Aufhängung. Den Kindern und Kindeskindern der beiden gehören die nächsten Äste mit Blättern. Jeweils unter den Ästen der Eltern.

 

So, den ersten Teil des Systems haben wir nun im  Kopf. Jetzt wird es umfangrei-cher: Weil jeder Partner seine eigenen Systeme hat, gibt es unzählige Äste und Blätter, darüber und daneben. Eltern, Geschwistern, Onkeln, Tanten. Cousins teilen sich einen weitern Ast und Großeltern, Großtanten, -onkeln wieder einen und so weiter. Es entsteht ein endloses Gebilde, das du nur bis in den Ast deiner Groß-eltern kennst (wenn überhaupt). Das gesamte Familiensystem ist natürlich noch viel umfangreicher und geht endlos weit zurück.

 

Alle Teilnehmer des Familien-Mobiles stehen irgendwie miteinander in Verbindung. Dieses Riesenmobile kann nur existieren, weil es sich im Laufe der Zeit immer wieder austariert und neu einrichtet.

 

Das heißt aber auch: verlässt ein Blatt das System (oder kommt eines hinzu) richtet sich das ganze System völlig neu aus. Schwierig, meinst du? Überhaupt nicht, denn es läuft ganz automatisch.

 

Entfernt sich ein Element, zum Beispiel eine Mutter/ein Vater, übernehmen andere die Funktion oder teilen sie untereinander auf. Kommt ein Kind dazu, bringt das ebenso eine Umverteilung. An einem Ast kommt ein Gewicht weg, beim anderen dazu und so weiter. Die Bewegung setzt sich bis ins letzte Blatt fort.

 

Unmerklich läuft das natürlich nicht, denn es entstehen: Reibungen, freiwillige Platz-überlassungen oder Machtkämpfe etc. Aber spannend ist, dass eben alles von ganz allein geht, auf natürliche Art und Weise. Keiner muss etwas bewusst dazu tun und sagen: Ich sorge für das Gleichgewicht in unserer Familie und mach erst a, dann b und c. Aber man kann auch bewusst Gewichte verschieben, ent- und belasten.

 

Diese Bewegungen verstehst du besser, wenn du das gesamte System kennst, gleich, ob es dein eigenes, das deiner Familie oder das deines Umfeldes ist.

 

Ein Beispiel aus der Praxis:

Tochter (21) verlässt das Elternhaus und zieht in eine WG.

Die Tochter fühlt sich frei, genießt ihre eigenen Entscheidungen und kann machen was sie will. Sie verlässt räumlich das Familiensystem, ist aber natürlich weiterhin und bis zum Ende ihrer Zeit Teil desselben. In veränderter Form. Gleichzeitig steigt sie in das System der WG ein und bekleidet dort eine Position. Wieder ein andere, als die, die ihr im Büro zugeteilt ist.

 

Die Mutter sieht sich ihrer intensivsten Aufgabe beraubt. Sie hat nun viel mehr Zeit, aber noch nicht ausreichend gelernt, diese für sich selbst zu nutzen. Sie fühlt sich überflüssig, unzufrieden und gibt der Tochter die Schuld für ihr Dilemma. Fragt sich: Habe ich nicht alles getan, damit es ihr gut geht? Warum ist sie nur so undankbar? Es ist doch noch viel zu früh für sie. Kurzum sie versteht ihre Welt in diesem Moment nicht mehr.

 

Der Vater freut sich auf mehr Freiheit und Zeit mit seiner Frau. Sie können nun  länger Urlaub machen, weil sich nicht immer alles um die Versorgung der Tochter dreht. Mehr Geld bleibt auch. Bald stellt er fest, sich auf die neue Situation einzu-stellen ist gar nicht so einfach. Die Wohnung ist stiller und das ist nicht die einzige Umstellung. Auch er hat sich neu zu orientieren. Bald merkt er, seine Frau tut sich mit der veränderten Lebensform unendlich schwer. Sie zieht sich zurück, wird lau-nischer. Sie streiten immer öfter und die Situation spitzt sich kritisch zu.

 

Sie verstehen einander nicht mehr und auch das Leben, das sie führen, ist ihnen irgendwie fremd geworden.

 

Irgendwann merken Sie: wir brauchen Hilfe und ziehen die Notbremse. Sie gehen zu einer Mediation.

 

Was kann in diesem Fall eine Mediation bewegen:

Hier kommen die Eheleute wieder in Kontakt. Lernen die Sichtweise des anderen zu verstehen und zu akzeptieren. Sie  bekommen dort einen eigenen Platz und die Möglichkeit alles zu sagen. Aber auch das Zuhören will geübt werden. Sie stellen fest, wo die Ursachen für die Unzufriedenheit liegen und lernen auf eine konstruk-tive Art zu kommunizieren. Nach kurzer Zeit bereits sind sie in der Lage, die unerf-üllten Bedürfnisse zu entdecken und zu stillen, jeder auf seine Art. Sie arbeiten ge-meinsam daran, die Tochter loszulassen. Damit verbessert sich das Verhältnis aller Beteiligten zueinander.

 

Die Mediatoren beeinflussen und manipulieren nicht, sie sind die Moderatoren und Impulsgeber durch eine schwierig gewordene Kommunikation mehrerer Parteien. Mit systemischer Ausbildung begleitet der Mediator oder Coach diese Lebensphase und unterstützt die Entwicklung der Beziehung zu sich und zu anderen.

 

Das System wird neu ausgerichtet.

 

 

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